Schreizeichen

Textauszüge aus dem Band SCHREIZEICHEN
Märchen vom internen Tal

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Sie haben uns in diesen Garten gesperrt. Wir waren in ihn hinein gestolpert, als sie uns jagten. Vor mir Swifty, die Jacke voller Pferde, dem Muster folge ich. Der Name der Musterpferde, einmal ausgesprochen, hallt hier wie ein Jauchzen. Ihr Wiehern dringt aber nicht an mein Ohr. Wir flüstern uns zu, was gesagt werden muss. Ist der Garten denn wirklich abgeschlossen? Ein Schlüsselchen habe ich nicht gesehen. Dennoch: Immer nur vorwärts heißt die Parole. Ich vertraue dem Käptn, der sie ausgegeben hat. Niemand kann ihm ins Gesicht sehen. So hat er alle Folterungen überlebt. Lag wie tot im Gras, als wir ihn auflasen. Mein Blick bleibt an den Faserfronten hängen. Da müssen wir vorbei, an diesem flatternden Licht. Ein Küchenfenster steht zur Hofseite hin offen. Das Kräutergärtlein, handtuchschmal, erstreckt sich ins Nachbargrundstück. Eine Hand wischt schimmligen Staub vom Fensterbrett. Und hinter uns rührt der Wind einen grauen Teig.

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Der Kosmos befreit sich von den schwarzen Kräutern, klart zur frischen Ebene auf. Da lässt es sich gut rennen. Der Typ, den ich im Arm habe, den ich zu führen glaube, ist ein Mann mittleren Alters. Unter seinem Bart spricht er wie ein junger Erwachsener, der sich die Welt aneignen will, freiwillig gibt sie ihm keiner. Er sagt den lachhaften Satz, dass er die neue Generation sei und der Käptn solle gefälligst keine Fisimatenten machen. Hat er etwa recht? Auf was will er hinaus? Nun zieht er den Schlüssel zur Gartenpforte aus der Tasche, winkt damit unserem Anführer. Wie sie sich jetzt gegenüber stehen, Lehrer zweier gegensätzlicher Schulen. „Der dort leidet an Verfolgungswahn“, ruft der Alte und der Schlüssel saust wie ein Bumerang aus seiner Hand. „Getroffen“, schreit er.

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Eines Morgens sagt einer, es sei durchs Netz gegangen, dass sie uns abgeschrieben hätten. Unser Explorer will das Gerücht nicht bestätigen. Inzwischen haben wir gelernt, uns zusammenzunehmen und aus dem Nichts der sandigen Beete, die wir vermessen und durchwühlen, unsere Freiheit zu schöpfen. Die Welle der Entmutigung, die uns jetzt aber ergreift, will erst mal geschluckt sein. Da meldet der alte Mann, der seit geraumer Zeit unser Vorreiter ist, eine Beobachtung: Ein Detektor hätte wie wild ausgeschlagen. Ungefähr nach einem Monat gehts über online. In hundert Metern Tiefe, im Ungreifbaren, haben wir, die Missgeburten und Ausgesetzten, einen Menschen ausgegraben. Der Kerl lebt noch. Der Körper könnte auch weiblich sein. Eine bis jetzt einmalige Form von Verwesung bei lebendigem Leib, ist weit fortgeschritten. Wir sind gespannt, ob und in welcher Form man uns Entdeckern entgegenkommt.

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Das ist mein Wunsch, eine Montur, die wieder fest sitzt. Ich umarme Unsere Schönheit. Sie bedeckt mich ganz. Ein Schreizeichen über dich, murmelt sie, kann aber keinen Finger rühren. Da reihe ich mich wortlos ein. Swiftys Jacke bläht die Yahoo-Pferde. Geliebte Muster, Madonna, Marilyn, Tränenflecken auf Handtüchern, eine Inflation von Schlüsseln auf Purpurgrund, Pferde. Sie traben mit Zottelbeinen voran. Wahrscheinlich haben auch sie ihre Wünsche längst aufgegeben, darin sind sie fix. Ich tippe auf eine bestimmte Art von Software, die ihre derbe Sprache übersetzt. Darauf sind sie versessen, wollen sich unbedingt verständlich machen.